Richtlinie
Richtlinien des Innenministeriums für die Gewährung von Landeshilfen nach schweren Naturereignissen und Unglücksfällen
Vom 27. Oktober 2017
– Az. 6-1443.1/68-1 –
I. Allgemeine Bestimmungen
1 Zuwendungsziel und Rechtsgrundlagen
Das Land gewährt Zuwendungen in Form von Landeshilfen an Betroffene von schweren Naturereignissen und Unglücksfällen.
Landeshilfen werden nach Maßgabe dieser Richtlinien sowie der §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung (LHO), der Verwaltungsvorschriften hierzu und der Regelungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) im Rahmen der verfügbaren Mittel gewährt. Die Bewilligungsstelle entscheidet aufgrund pflichtgemäßen Ermessens.
Ein Anspruch auf Gewährung von Landeshilfen besteht nicht.
2 Zuwendungsarten
Die Landeshilfen werden in Form von Zuschüssen gewährt als
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Soforthilfen für Privatpersonen sowie für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe und
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Landeshilfen für Kommunen.
Die Landeshilfen werden im Wege der Anteilsfinanzierung gewährt.
3 Zuwendungsvoraussetzungen
3.1 Die Landeshilfen sollen nur nach einem außergewöhnlichen, unvorhergesehenen, großräumigen und zeitgleich ausgelösten Naturereignis oder Unglücksfall mit einer Vielzahl stark Betroffener gewährt werden. Ausnahmsweise kommen Landeshilfen bei einer räumlich auf einen Landkreis oder eine oder mehrere Gemeinden begrenzten Schadenslage in Betracht, wenn die Schäden die Schwelle der Nummer 3.3 erreichen. Kann der Unglücksfall einem Verursacher zugeordnet werden, werden in der Regel keine Landeshilfen gewährt.
3.2 Die Hauptschadensorte werden im Benehmen mit den Landratsämtern und Bürgermeisterämtern der Stadtkreise festgelegt. Dabei ist auch eine Beschränkung auf besonders betroffene Teilgebiete der jeweiligen Gemeinden möglich. Maßgeblich für die Gesamtbetrachtung des Ereignisses ist ein kausaler und zeitlicher Zusammenhang der entstandenen Schäden.
3.3 Die Schadenssumme aus kommunalen, privaten, gewerblichen und land- und forstwirtschaftlichen .Schäden muss erheblich sein und sollte insgesamt voraussichtlich über 100 Millionen Euro betragen.
II. Soforthilfen
1 Soforthilfen für Privatpersonen
1.1 Zweck der Soforthilfen für Privatpersonen
Bei der Soforthilfe für Privatpersonen handelt es sich um eine Liquiditätshilfe, um erste unumgängliche Wiederbeschaffungen von durch das Schadensereignis verloren gegangenen Gegenständen des täglichen Bedarfs tätigen zu können. Soforthilfen für Privatpersonen sind keine Schadensersatzleistungen.
1.2. Höhe der Soforthilfen für Privatpersonen
Die Soforthilfen für Privatpersonen betragen maximal 500 Euro pro Person und maximal 2.500 Euro pro Haushalt. Sie dürfen 50 Prozent des geltend gemachten Schadens nicht überschreiten.
1.3 Einkommensgrenzen für Privatpersonen
Soforthilfen für Privatpersonen werden an Ledige mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von bis zu 25.600 Euro und an Verheiratete und Verpartnerte mit einem zu versteuernden Einkommen von bis zu 51.200 Euro gewährt.
Maßgebend sind die zum Schadenszeitpunkt vorliegenden Verhältnisse. Zum Nachweis reicht die Vorlage des jüngsten Einkommensteuerbescheids. Die Soforthilfe gewährenden Stellen können auch andere Nachweise akzeptieren oder die Einkommensverhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt überprüfen.
2 Soforthilfen für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe
2.1 Zweck der Soforthilfen für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe
Soforthilfen dürfen ausschließlich an kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe mit je bis zu zehn Beschäftigten gewährt werden. Die Soforthilfen dienen der Wiederbeschaffung von durch das Schadensereignis beschädigten oder zerstörten oder verloren gegangenen Gegenständen, die zur Fortführung des Geschäftsbetriebs unerlässlich sind. Soforthilfen für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe sind keine Schadensersatzleistungen. Für Ertragsausfälle werden keine Soforthilfen gewährt.
2.2 Höhe der Soforthilfen für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe
Soforthilfen für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe können bis zu einer Höhe von 5.000 Euro pro Betrieb als De-minimis-Beihilfen nach der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (ABI. L 352 vom 24.12.2013, S. 1) und der Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor (ABI. L 352 vom 24.12.2013, S. 9) gewährt werden. Sie dürfen 50 Prozent des geltend gemachten Schadens nicht überschreiten.
2.3 Jahresumsatzgrenze
Soforthilfen für kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe werden bis zu einer Jahresumsatzgrenze von 2 Millionen Euro gewährt.
Maßgeblich sind die zum Schadenszeitpunkt vorliegenden Verhältnisse. Zum Nachweis reicht in der Regel die Vorlage der letzten verfügbaren Umsatzsteuerjahreserklärung aus. Die Soforthilfe gewährenden Stellen können auch andere Nachweise akzeptieren oder die Umsatzverhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt überprüfen.
3 Entscheidungsbefugnis
Der Innenminister entscheidet im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, ob die Voraussetzungen nach Nummer 1.3. für die Gewährung von Soforthilfen vorliegen. Der Ministerrat wird umgehend über die getroffene Entscheidung unterrichtet. Das Innenministerium trifft die zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen.
4 Verfahren
4.1 Zuständigkeit
Anträge auf Soforthilfen sind grundsätzlich bei den örtlich zuständigen Landratsämtern und den Bürgermeisterämtern der Stadtkreise unter Verwendung des hierfür vom Innenministerium zur Verfügung gestellten Formblattes einzureichen. Die Anträge können fristwahrend auch bei den Gemeinden eingereicht werden. Wird hiervon Gebrauch gemacht, leiten die Gemeinden die Anträge unverzüglich an das Landratsamt weiter.
Die örtlich zuständigen Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise bewilligen die Soforthilfen und zahlen diese aus. Die Landratsämter können im Einvernehmen mit den Gemeinden festlegen, dass Bewilligungen und Auszahlungen auch durch die Gemeinden erfolgen können.
4.2 Antragstellung Die Anträge sind mittels der vom Innenministerium zur Verfügung gestellten Formblätter zu stellen. Kleine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft und Angehörige freier Berufe sind verpflichtet, eine De-minimis-Erklärung abzugeben.
4.3 Fristen
Die Anträge sind in der Regel bis spätestens vier Wochen nach dem Schadensereignis zu stellen. Die Soforthilfen sollen im gleichen Zeitraum bewilligt und ausbezahlt werden. Die Antrags-, Bewilligungs- und Auszahlungsfrist kann vom Innenministerium in begründeten Fällen gesondert festgelegt werden.
4.4 Glaubhaftmachung von Schaden und Bedürftigkeit
Eine Glaubhaftmachung des Schadens und der Bedürftigkeit ist ausreichend. Ein konkreter Nachweis ist nicht erforderlich, wenn dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung aus tatsächlichen Gründen nicht erbracht werden kann.
5 Versicherungen und Hilfen oder Leistungen Dritter
Bei der Auszahlung der Soforthilfen an die Betroffenen ist dafür Sorge zu tragen, dass auch unter Berücksichtigung von Versicherungsleistungen sowie anderer mit dem Naturereignis oder Unglücksfall zusammenhängender Hilfen oder Leistungen Dritter keine Überkompensation von Schäden erfolgt. Die Soforthilfen sind zurückzuzahlen, wenn eine Versicherung oder eine andere Stelle später für den gesamten Schaden aufkommt. Dies ist der Soforthilfe gewährenden Stelle umgehend mitzuteilen. Die Soforthilfe gewährende Stelle erlässt nach erfolgter Prüfung der Voraussetzungen einen entsprechenden Rückforderungsbescheid.
6 Härtefallregelung
In Härtefällen kann von den in den Nummern 1.2, 1.3, 2.1, 2.2 und 2.3 festgelegten Bestimmungen abgewichen werden, um unbilligen Härten entgegenzutreten. Entsprechende Fälle sind von den Soforthilfe gewährenden Stellen einzeln zu begründen und zu dokumentieren.
7 Verwendungsnachweis
Der Zuwendungsempfänger hat der die Soforthilfe bewilligenden Stelle innerhalb von sechs Monaten nach Gewährung der Zuwendung mittels des vom Innenministerium zur Verfügung gestellten Formblattes zu bestätigen, dass zuwendungsfähige Ausgaben in Höhe der Soforthilfe angefallen sind und keine Überkompensation durch Versicherungsleistungen oder sonstige Leistungen Dritter vorliegt. Die entsprechenden Nachweise sind hierzu vom Begünstigten auf Verlangen vorzulegen.
8 Statistik
Die Soforthilfe gewährenden Stellen führen Listen mit Angaben zu Antragstellern, Fallzahlen, Auszahlungsbeträgen und erfolgten Prüfungen und berichten auf dem Dienstweg an das Innenministerium. Das Nähere hierzu wird vom Innenministerium im Ereignisfall gesondert festgelegt.
9 Handreichung
Den Soforthilfe gewährenden Stellen wird eine Handreichung mit Hinweisen zur Bewilligung und zur Vermeidung von unberechtigter Inanspruchnahme von Soforthilfen zur Verfügung gestellt.
III. Landeshilfen für Kommunen
1 Entscheidungsbefugnis
Über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Landeshilfen für Kommunen entscheidet der Ministerrat nach Anhörung der Kommunalen Landesverbände.
2 Zuwendungszweck
Die Landeshilfen für Kommunen sind eine subsidiäre Unterstützung für Kommunen bei außergewöhnlichen und extremen Schadensereignissen, die zu unverhältnismäßig großen Schäden an kommunaler Infrastruktur und sonstigen Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft geführt haben. In dem Umfang, in dem der Gemeinde Fachförderungen oder Zuwendungen Dritter zur unmittelbaren Schadensbeseitigung gewährt werden, sind die Landeshilfen durch die Gemeinde zurückzuzahlen.
3 Zuwendungsvoraussetzungen
3.1 Bedürftigkeit der Kommune Für die Kommune muss eine finanzielle Hilfsbedürftigkeit vorhanden sein, die sich aufgrund einer unverhältnismäßigen Belastung ergibt. Der für die Beseitigung der Schäden zu erbringende Aufwand muss die Leistungsfähigkeit der Kommune übersteigen. Eine Kommune ist hilfsbedürftig, wenn sie nach ihrer Leistungskraft und Verschuldungsfähigkeit unter Berücksichtigung der von ihr sonst noch in absehbarer Zeit notwendig zu erfüllenden Aufgaben nicht in der Lage ist, die e1forderlichen Eigenmittel für die Schadensbeseitigung aufzubringen. Nummer 5.2.1 und Nummer 5.2.3 der VwV-Ausgleichstock finden für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit und der Verschuldungsfähigkeit entsprechende Anwendung.
3.2 Subsidiarität Landeshilfen für Kommunen werden nur für solche Schäden gewährt, die nicht über ein bestehendes Fachförderprogramm abgewickelt werden können oder für innerhalb bestehender Fachförderprogramme nicht förderfähige Kosten, sowie in Ausnahmefällen für notwendige Eigenanteile, die die Kommune nicht aus eigener Kraft aufbringen kann. Die Landeshilfen für Kommunen können auch für Maßnahmen in städtebaulichen Erneuerungsgebieten bewilligt werden, soweit dadurch keine Doppelförderung mit eingesetzten Finanzhilfen nach den Städtebauförderungsrichtlinien (StBauFR) entsteht. Soweit Landeshilfen für Maßnahmen in städtebaulichen Erneuerungsgebieten gewährt werden, sind diese zur Stärkung des Eigenanteils der Gemeinde bestimmt.
4 Zuwendungshöhe
Die Höhe der maximalen Zuwendung wird im Einzelfall durch den Ministerrat nach Anhörung der kommunalen Landesverbände festgelegt.
5 Verfahren
5.1 Zuständige Behörde
Die Landeshilfen für Kommunen werden vom örtlich zuständigen Landratsamt beziehungsweise für Stadtkreise vom Regierungspräsidium bewilligt und abgewickelt. Das örtlich zuständige Regierungspräsidium koordiniert die Fachförderungen und Mittelverteilung innerhalb des Regierungsbezirks einschließlich der Frage eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns. Das Innenministerium trifft die notwendigen Maßnahmen und Aufgabenzuweisungen zur raschen und effektiven Abwicklung über die Grenzen eines Regierungsbezirks hinaus. Die bestehenden Zuständigkeiten für die Abwicklung von Fachförderprogrammen bleiben unberührt.
5.2 Ablauf/Antragstellung
Nach Vorliegen des Ministerratsbeschlusses gemäß Nummer I. stellt die betroffene Kommune die entstandenen Schäden zusammen und fügt entsprechende Nachweise bei. Auf der Grundlage dieser Zusammenstellung entscheidet die bewilligende Stelle über die Landeshilfen.
5.3 Statistik/Verwendungsnachweis
Über den Fortschritt und die Fertigstellung der geförderten Maßnahme berichtet die Gemeinde dem Landratsamt jährlich zum 31. Dezember, das Landratsamt berichtet dem Regierungspräsidium bis 15. Februar und das Regierungspräsidium dem Innenministerium bis 31. März; im Übrigen gilt für die Statistik Nummer II.8 entsprechend.
Ein vereinfachter Verwendungsnachweis ist bis sechs Monate nach Beendigung der geförderten Maßnahme dem Landratsamt beziehungsweise dem Regierungspräsidium vorzulegen. Die Zahlung begründenden Unterlagen sind fünf Jahre nach Einreichen des Verwendungsnachweises von der Gemeinde aufzubewahren und auf Verlangen den Landesbehörden und der Prüfungsbehörde vorzulegen.
IV. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Die Richtlinien treten am 1. Januar 2018 in Kraft. Sie treten am 31. Dezember 2024 außer Kraft.