Richtlinie
Förderrichtlinie zum Ausbau inklusiver kommunaler Angebote im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention
[Vom 13. März 2023]
Präambel
Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verpflichtet die Vertragsstaaten zu Maßnahmen, die den gleichberechtigten Zugang für Menschen mit Behinderungen unter anderem zur physischen Umwelt sowie zu Information und Kommunikation gewährleisten.
Die Hessische Landesregierung hat diese Zielsetzung auch vor dem Hintergrund unserer alternden Gesellschaft von Beginn an unterstützt.
Grundvoraussetzung eines gemeinsamen und selbstbestimmten Lebens ist die Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren. Bei der Planung regionaler Versorgungsstrukturen zum Abbau von Barrieren kommt den kreisfreien Städten und den Landkreisen in Hessen eine besondere Verantwortung zu. Daher unterstützt die Hessische Landesregierung die kommunalen Gebietskörperschaften dabei, Barrieren im kommunalen Bereich zu beseitigen und gleichwertige und diskriminierungsfreie Lebensbedingungen für alle Menschen zu schaffen.
Dem Programm kommt – auch und gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Anstieg älterer und behinderter Bürger*innen in Hessen – eine große fachliche und politische Bedeutung zu.
1. Rechtsgrundlage
Für die Bewilligung, die Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung, den Nachweis der Verwendung, die Prüfung des Verwendungsnachweises, gelten die allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere das Haushaltsgesetz, das Finanzausgleichsgesetz, die Landeshaushaltsordnung (LHO) und die Verwaltungsvorschriften (VV) zu §§ 23 und 44 LHO nebst den dazugehörenden Anlagen sowie die Investitions- und Maßnahmenförderungsrichtlinie (IMFR) in der jeweils gültigen Fassung, soweit in dieser Richtlinie keine abweichenden oder ergänzenden Regelungen getroffen sind.
Für die gegebenenfalls Rücknahme oder den Widerruf des Zuwendungsbescheides, die Rückforderung der gewährten Zuwendung und die Verzinsung gelten die §§ 48 bis 49a Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG), der § 44 LHO und die hierzu erlassenen VV in der jeweils geltenden Fassung nebst den dazugehörenden Anlagen, soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.
2. Zuwendungszweck und Ziel der Förderung
Ziel der Förderung ist es dazu beizutragen, diskriminierende Tatbestände in den hessischen Kommunen zu beseitigen und die Umsetzung gleichwertiger Lebensbedingungen für alle Menschen in Hessen zu unterstützen.
Mit dem Förderprogramm sollen kreisfreie Städte und Landkreise in Hessen vor dem Hintergrund der UN-BRK bei der Planung und Realisierung inklusiver regionaler Versorgungsstrukturen zum Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum unterstützt werden.
3. Gegenstand der Förderung
Gefördert werden Investitionen kommunaler Gebietskörperschaften bei Baumaßnahmen sowie damit verbundener Ausstattungsinvestitionen und Dienstleistungen (als notwenige Begleitmaßnahmen zur Umsetzung der Investitionen), die dem Abbau vorhandener Barrieren in Gebäuden und Einrichtungen dienen oder inklusive Begegnungsstätten für Menschen mit und ohne Behinderungen schaffen.
Dazu gehören beispielsweise:
- Maßnahmen für hörbehinderte Menschen, wie Induktionsschleifen, optische Warn- und Notrufsysteme, optische Türeinlasssysteme,
- Maßnahmen für blinde und sehbehinderte Menschen, wie Bodenleitsysteme, Tastmodelle, visuelle Kontraste,
- Maßnahmen für kognitiv eingeschränkte Menschen, wie zum Beispiel Orientierungssysteme im Gebäude, Einsatz von Leichter Sprache auf Schildern,
- Maßnahmen für mobilitätseingeschränkte Menschen, wie zum Beispiel Aufzüge, Rampen, elektronisch zu öffnende Türen,
- Maßnahmen zur Förderung der Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderungen im Sozialraum, wie zum Beispiel barrierefreie Begegnungsplätze oder inklusive Mehrgenerationenspielplätze.
Ebenfalls gefördert werden können im Rahmen eines inklusiven Gesamtkonzepts nichtbauliche Elemente, die für die Wirksamkeit des Gesamten sinnvoll sind, wie zum Beispiel mobile Höranlagen etc.
4. Zuwendungsempfänger
Zuwendungsempfänger und antragsberechtigt sind die kommunalen Gebietskörperschaften in Hessen (Kreisfreie Städte, Landkreise, kreisangehörige Städte und Gemeinden).
5. Zuwendungsvoraussetzungen
5.1 Förderfähig sind kommunale bzw. kommunalersetzende Investitionen. Kommunalersetzend kann eine Investition dann sein, wenn ein Dritter anstelle der sonst verpflichteten Kommune tätig wird.
5.2 Die Liegenschaft muss sich im Eigentum der Kommune befinden oder durch ein langfristiges Pacht- bzw. Mietverhältnis der kommunalen Nutzung unterliegen. Bei Förderungen über 50.000 Euro ist darunter eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren und bei Förderungen bis 50.000 Euro von 15 Jahren zu verstehen. Sofern aufgrund der vertraglichen Regelungen die Zustimmung des Vermieters zur Umbaumaßnahme erforderlich ist, so ist sie dem Antrag beizufügen.
5.3 Förderfähig sind auch Liegenschaften Dritter, sofern der Nutzungszweck kommunalersetzend ist. Eine entsprechende Begründung sowie vertragliche verbindliche Vereinbarung über Leistungen und Finanzierung zwischen dem Träger der Einrichtung und der Kommune ist dem Antrag beizufügen. Die Kommunen sind Zuwendungsempfänger und können die Mittel mit Zustimmung des Hessische Ministerium für Soziales und Integration an den Dritten weiterleiten.
5.4 Maßnahmen sind nicht förderfähig, sofern diese dem Öffentlichen Personennahverkehr dienen und sich im Sinne von § 3 des Mobilitätsfördergesetzes (MobFG) in Bezug zu Anlagen des ÖPNV befinden. Ebenso nicht förderfähig sind Maßnahmen im schulischen Bereich.
5.5 Vorhaben dürfen erst nach Bewilligung der Zuwendung begonnen werden – unbeschadet VV Nr. 1.3 zu § 44 LHO. Als Beginn der Maßnahme ist grundsätzlich der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- und Leistungsvertrages zu werten, wenn dieser in direktem Zusammenhang mit dem Förderprojekt steht. Die Auftragsvergabe für Planungsleistungen und die Durchführung der Planung sowie Voruntersuchungen begründen noch keinen Maßnahmenbeginn.
5.6 Förderfähig sind ausschließlich Ausgaben, die in direktem Zusammenhang mit dem Zuwendungszweck, wie dem Abbau von Barrieren bzw. der Schaffung barrierefreier Strukturen, entstehen.
5.7 Bei Fördermaßnahmen kreisangehöriger Städte und Gemeinden kann dem Antrag auf eine Förderung nach dieser Förderrichtlinie eine befürwortende Stellungnahme des jeweiligen Landkreises beigefügt werden.
5.8 Der Zuwendungsempfänger ist mit Zustimmung der Bewilligungsbehörde berechtigt, Zuwendungen an Städte, Gemeinden und Dritte nach VV Nr. 12 zu § 44 LHO weiterzugeben. Er bleibt dabei jedoch für die zweckentsprechende, wirtschaftliche, haushalts- und vergaberechtlich korrekte Verwendung der Mittel sowie den Nachweis über die Verwendung der Mittel verantwortlich.
6. Art, Umfang und Höhe der Zuwendung
6.1 Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Anteilfinanzierung als nicht rückzahlbarer Zuschuss gewährt. Die Regelförderquote beträgt 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Eine Vollfinanzierung ist ausgeschlossen.
6.2 Die Förderhöhe bemisst sich an den für die Umsetzung des Zuwendungszwecks notwendigen und tatsächlich anfallenden Ausgaben Die Höhe der Zuwendung richtet sich bei kommunalen Empfängern nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Zuwendungsempfängers und seiner Stellung im Finanz- und Lastenausgleich (§ 48 Abs. 2 des Hessischen Finanzausgleichsgesetzes – HFAG).
6.3 Eine besondere Förderwürdigkeit besteht bei Maßnahmen, die überörtliche und überregionale Bedeutung haben und hessischen Bürger*innen insgesamt offenstehen. In diesen Fällen kann abweichend von den vorstehenden Regelungen eine Förderquote von bis zu 90 Prozent gewährt werden.
6.4 Sofern Maßnahmen durch sonstige Förderprogramme des Landes oder des Bundes gefördert werden, reduzieren sich die förderfähigen Ausgaben nach dieser Richtlinie um die dortigen Fördermittel und den dort nachzuweisenden Eigenanteil.
6.5 Die zuwendungsfähigen Gesamtausgaben sollten 50.000 Euro nicht unterschreiten. Ausnahmen sind in Einzelfällen mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration abzustimmen.
6.6 Der Zuwendungsempfänger hat die Gesamtfinanzierung der Maßnahme sicherzustellen.
6.7 Der Betrag der zuwendungsfähigen Ausgaben wird im Zuwendungsbescheid festgesetzt und zur Grundlage der Förderung gemacht.
6.8 Die Zweckbindungsfrist wird im Zuwendungsbescheid festgelegt.
7. Antragstellung und Bewilligungsverfahren
7.1 Zuständig für Bewilligungen nach dieser Förderrichtlinie ist das
Hessische Ministerium für Soziales und Integration
Sonnenberger Straße 2/2a
65193 Wiesbaden
Tel. 0611/3219-0
www.soziales.hessen.de
7.2 Anträge für das Förderprogramm sollten bis 28. Februar eines jeden Jahres beim Hessischen Ministerium für Soziales und Integration vorliegen. Ausnahmen können im begründeten Einzelfall zugelassen werden.
7.3 Für die Aufnahme in das Förderprogramm sind erforderlich:
- Angaben zum Antragsteller.
- Ein beglaubigter Auszug aus dem Grundbuch über das Eigentum der Liegenschaft.
- Eine kurze Bedarfsbeschreibung (Konzept) der Maßnahme mit Darstellung des angestrebten Ziels in Bezug auf die UN-BRK sowie der kommunalen Investition.
- Eine Darstellung der vor Ort vorherrschenden Bedarfslage und eine Bewertung über den Zugewinn der Maßnahme für die Bürgerinnen und Bürger.
- Eine Planungsskizze.
- Eine Finanzierungsplanung (Ausgabenschätzung). Leistungspakete zum Beispiel Elektroinstallation, Architekturleitungen usw. müssen in den Angeboten so aufgeschlüsselt werden, dass der Anteil für die Schaffung von Barrierefreiheit erkennbar ist.
- Eine zeitliche Umsetzungsplanung.
7.4 Nach einer Vorprüfung durch die Bewilligungsbehörde erhält der Antragsteller/die Antragstellerin eine Rückmeldung bezüglich der grundsätzlichen Förderfähigkeit der eingereichten Maßnahme. Die Antragstellenden der zur Förderung ausgewählten Projekte werden durch die Bewilligungsbehörde zur formellen Antragstellung mittels Formvordruck aufgefordert.
7.5 Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung nach diesen Fach- und Fördergrundsätzen besteht nicht. Die Bewilligungsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessens im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.
7.6 Die Zuwendungsempfänger haben bei der Auftragsvergabe die beihilferechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Die nach der Richtlinie geförderten Maßnahmen stellen keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) dar.
7.7 Die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendung ist mit einfachem Verwendungsnachweis und einem Sachbericht inklusive Bilddokumentation und einer Belegliste gegenüber dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration nachzuweisen. Die Zuwendungsempfänger haben jede vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration beauftragte Stelle für erforderlich gehaltene Überwachung/Überprüfung sowie Evaluierung des Förderprogramms zu unterstützen.
7.8 Die Bewilligungsbehörde ist berechtigt, die Verwendung der bewilligten Mittel durch Einsichtnahme in die Bücher, Belege und sonstigen Geschäftsunterlagen sowie durch örtliche Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat auf Verlangen Auskunft zu erteilen, Einsicht zu gewähren und die Unterlagen vorzulegen.
7.9 Der Hessische Rechnungshof ist berechtigt, bei den Zuwendungsempfängern die bestimmungsmäßige und wirtschaftliche Verwaltung und Verwendung der Zuwendungen zu prüfen. Im Falle der Weiterleitung der Zuwendungen an Dritte (Letztempfänger bei kommunalersetzenden Maßnahmen), kann der Rechnungshof auch bei diesen prüfen. Die Prüfung kann sich auch auf die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung des Empfängers erstrecken, soweit es der Rechnungshof für seine Prüfung für notwendig hält (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und Abs. 2 LHO).
8. Geltungsdauer
Die vorliegende Förderrichtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2027 außer Kraft.