Richtlinie
Neufassung der Fach- und Fördergrundsätze zur Etablierung von Familienzentren in Hessen
[Vom 9. Dezember 2020]
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1. Ziel und Gegenstand der Förderung
1.1 Die Aufgabe der Familienzentren ist es, Familien frühzeitig, ganzheitlich, niedrigschwellig und wohnortnah in ihrem jeweiligen Lebenszusammenhang bei der Gestaltung des Familienalltags zu unterstützen. Die Angebote sollen sich an alle Familien in den unterschiedlichsten Lebenslagen und Lebenssituationen sowie an Menschen mit und ohne Behinderung richten. Handlungsfelder der Familienzentren im Sozialraum sind Bildung, Erziehung, Beratung, Information, Unterstützung, Begegnung und Austausch. Familienzentren sind offen für Menschen aller Generationen, Kulturen und erleichtern die Integration von Migrantinnen und Migranten.
Familienzentren sind Knotenpunkte in einem Netzwerk von Kooperation und Information, das zugleich das kommunale Präventionsnetz und so das soziale Unterstützungsnetz vor Ort wirkungsvoller gestaltet.
Eine Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und eine Begleitung des Familienzentrums durch eine Fachgruppe auf kommunaler Ebene werden empfohlen.
Ziel der Förderung von Familienzentren ist, dass Familien ermöglicht wird ihre Selbsthilfepotentiale zu entfalten und ihre Erziehungskompetenzen durch Familienbildungsangebote zu stärken. Ergänzend werden die Vereinbarkeit von Familie/Pflege und Beruf, Gesundheit, berufliche Qualifizierung, der Wiedereinstieg sowie das freiwillige Engagement unterstützt.
Diese Förderung leistet einen Beitrag zum Oberziel „Hessen weiter zu einem kinderfreundlichen Familienland ausbauen, älteren Menschen ein selbstbestimmtes, aktives und sozial eingebundenes Leben ermöglichen, die Entwicklung und das Wohlergehen junger Menschen fördern und schützen“.
1.2 Gefördert werden:
- die Errichtung und Inbetriebnahme von weiteren Familienzentren als wohnortnahe Kontakt- und Anlaufstellen für Familien in Hessen, unter besonderer Berücksichtigung der Etablierung von Familienzentren im ländlichen Raum und
- die strukturelle, qualitative und nachhaltige Sicherung der familienbezogenen Angebote und Maßnahmen in den bestehenden Familienzentren.
2. Fördervoraussetzungen
2.1 Die Förderung nach Ziffer 1.2 setzt voraus, dass Familienzentren
2.1.1 auf der Grundlage eines Konzeptes und der Bedarfslage im Sozialraum Angebote einer ganzheitlichen familienbezogenen Infrastruktur anbieten oder weiterentwickeln,
2.1.2 Vernetzungs- und Kooperationsprozesse auf vertraglicher Basis initiieren,
2.1.3 auf der Basis des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplanes arbeiten,
2.1.4 mit Akteurinnen und Akteuren im Stadtteil (zum Beispiel Vereine, Familienbildungsstätten, EUTBs, Integrationslotsinnen und -lotsen, Frühförderstellen, Sozialpädiatrische Zentren, sozialpsychiatrische Dienste, Migrationsdienste, Jugendhilfe, Sozial- und Gesundheitswesen, Sport, Kultur) zusammen arbeiten,
2.1.5 durch eine pädagogische, soziale oder andere qualifizierte Fachkraft geleitet werden,
2.1.6 entsprechende Räumlichkeiten vorhalten (ausreichende Anzahl und Größe von Räumen und Funktionsräumen, diese sollten barrierefrei sein),
2.1.7 das hauptamtliche Personal regelmäßig qualifizieren (Teilnahme an Fortbildungen, Veranstaltungen und Netzwerktreffen für Familienzentren) und dies nachweisen.
2.2 Familienzentren haben ab Förderbeginn Angebote in den unter Ziffer 1.1 genannten Handlungsfeldern mit einem generationenübergreifenden sowie interkulturell sensiblen Ansatz bereitzuhalten, welche
2.2.1 sich mindestens an Familien, Kinder, Jugendliche, Senioren, Paare und Alleinstehende als Zielgruppe richten,
2.2.2 als Kurse, offene Treffs, Veranstaltungen, Informations-, Beratungs- und Kinderbetreuungsangebote (hierunter fallen nicht die regelhaften Angebote einer Kindertagesstätte), Mittagstisch, Ferienangebote stattfinden,
2.2.3 regelmäßig an mindestens drei Tagen der Woche zu familienfreundlichen Öffnungszeiten stattfinden und in der Woche mindestens sechs Kurse, Beratungen, Veranstaltungen etc. (mit je zwei Unterrichtseinheiten) umfassen. Dabei sollen alle Zielgruppen nach Ziffer 2.2.1 erreicht werden.
3. Ergänzende Leistungen, Kooperations- und Vernetzungsangebote
Ergänzend können die Familienzentren noch weitere Angebote entwickeln oder bereithalten, wie zum Beispiel:
- Angebote bzw. Vernetzung mit Angeboten zur Ehe-, Lebensberatung (evtl. Trennungs- und Scheidungsberatung, Schwangerschaftskonfliktberatung, Schuldnerberatung etc.) und Sozialberatung,
- Vernetzung mit Familienservicebüros, Bündnisse für Familie, EUTBs, Frühförderstellen, Sozialpädiatrische Zentren, sozialpsychiatrische Dienste, Netzwerk Frühe Hilfen etc., Verknüpfung und Vernetzung mit Angeboten der Kindertagesbetreuung einschließlich Kindertagespflege,
- Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten, Hebammen, Frühförderungsstellen, Aktivitäten der Gesundheitsförderung und Prävention,
- Informationsangebote zum Einstieg und Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, Kooperationen mit dem Jobcenter oder der Arbeitsagentur
- Kooperationen mit Verbänden von und für Menschen mit Behinderungen, EUTBs
- Kooperationen mit Migrantenorganisationen und Integrationslotsinnen und -lotsen
4. Antragsberechtigte
Antragsberechtigt sind kommunale und gemeinnützige Träger.
5. Art, Umfang und Höhe der Förderung
5.1 Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Festbetragsfinanzierung als nicht rückzahlbarer Zuschuss gewährt und beträgt bis zu 18.000 Euro pro Einrichtung und Haushaltsjahr. Die Auszahlung erfolgt in der Regel in zwei Raten. Nr. 1.4 der ANBest-P und Nr. 1.3 der ANBest-GK finden keine Anwendung.
5.2 Für die Bewilligung, die Auszahlung der Zuwendung, den Nachweis der Verwendung, die Prüfung des Verwendungsnachweises, gegebenenfalls die Rücknahme oder den Widerruf des Zuwendungsbescheides, die Erstattung der gewährten Zuwendung und die Verzinsung gelten die §§ 48 bis 49a HVwVfG, der § 44 LHO und die hierzu erlassenen VV sowie die Richtlinie für die Förderung sozialer Gemeinschaftseinrichtungen und nichtinvestiver sozialer Maßnahmen – Investitions- und Maßnahmeförderungsrichtlinie – IMFR – in der jeweils geltenden Fassung, soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.
5.3 Zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides sind zu erklären, soweit zutreffend:
- die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P), Anlage 2 zur VV Nr. 5.1 zu § 44 LHO,
- die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften (ANBest-GK), Anlage 3 zur VV Nr. 5.1 zu § 44 LHO.
5.4 Gefördert werden Personal- und Sachausgaben für die Leitung, Koordinierung, Vernetzung und das Management des Familienzentrums, die Durchführung der Angebote oder für Leistungen Dritter (zum Beispiel Coaching, Finanzierung kooperativer Leistungen anderer Institutionen).
5.5 Eine Förderung nach diesen Fach- und Fördergrundsätzen erfolgt nur, wenn der Mittelbedarf nicht bereits durch eine andere Finanzierung abgedeckt ist oder war.
5.6 Zuwendungen nach diesen Fach- und Fördergrundsätzen können zusätzlich zu anderen Förderungen des Landes oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gewährt werden.
6. Antrags- und Bewilligungsverfahren, sonstige Zuwendungsbestimmungen
6.1 Bewilligungsbehörde ist das Regierungspräsidium Kassel. Dieses setzt die Höhe der Zuwendung fest und zahlt den Betrag aus.
6.2 Der Antrag auf Förderung ist von dem Träger des Familienzentrums bis zum 31. Oktober des Vorjahres beim Regierungspräsidium Kassel, Dezernat 13, 34112 Kassel, einzureichen.
6.3 Für die Antragstellung sind die Formblätter „Antragsvordruck“ und „Kosten- und Finanzierungsplan“ zu verwenden. Diese sind über die Internetseite des Regierungspräsidium Kassel abrufbar.
Dem Antrag ist eine Stellungnahme der zuständigen Kommune bzw. des zuständigen Landkreises beizufügen.
6.4 Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung nach diesen Fach- und Fördergrundsätzen besteht nicht. Die Bewilligungsbehörde entscheidet aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Liegen in einem Haushaltsjahr mehr bewilligungsfähige Anträge vor, als Fördermittel zur Verfügung stehen, entscheidet das Hessische Ministerium für Soziales und Integration abschließend nach pflichtgemäßem Ermessen.
6.5 Die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendung ist mit einfachem Verwendungsnachweis und einem Sachbericht innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Maßnahme bzw. des Förderjahres gegenüber dem Regierungspräsidium Kassel nachzuweisen. Das Regierungspräsidium prüft den Verwendungsnachweis abschließend.
Die entsprechenden Vordrucke sind auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Kassel abrufbar.
Zuwendungsempfänger haben jede vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration beauftragte Stelle für erforderlich gehaltene Überwachung/Überprüfung sowie Evaluierung des Förderprogramms zu unterstützen.
7. Beihilferechtliche Einordnung
Die Zuwendung wird unter Beachtung der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 über „De-Minimis“-Beihilfen gewährt.
Der Gesamtwert, der einer Zuwendungsempfängerin oder einem Zuwendungsempfänger gewährten „De-Minimis“-Beihilfen darf 200.000 Euro, bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren, nicht übersteigen.
Bei „De-Minimis“-Beihilfen sind von der Zuwendungsempfängerin oder einem Zuwendungsempfänger Informations- und Dokumentationspflichten zu beachten. Diese werden mit den Antragsformularen und Zuwendungsbescheiden mitgeteilt.
8. Prüfungsrechte des Hessischen Rechnungshofes
Der Hessische Rechnungshof ist berechtigt, bei den Zuwendungsempfängern sowie gegebenenfalls bei Dritten die bestimmungsmäßige und wirtschaftliche Verwaltung und Verwendung der Zuwendungen zu prüfen. Die Prüfung kann sich auch auf die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung des Empfängers erstrecken, soweit es der Rechnungshof für seine Prüfung für notwendig hält (§ 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und Abs. 2 LHO).
9. Schlussbestimmungen
Die vorliegenden Fach- und Fördergrundsätze ersetzen die Fach- und Fördergrundsätze zur Etablierung von Familienzentren in Hessen vom 24. März 2017 (StAnz. S. 431) und treten am 1. Januar 2021 in Kraft.