Richtlinie
Neuveröffentlichung der Richtlinie zur Förderung nichtinvestiver sozialer Maßnahmen von Beratungsstellen für Menschen mit (drohenden) Behinderungen im Freistaat Thüringen
[Vom 15. September 2021
zuletzt geändert am 4. Mai 2023]
1 Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage
1.1 Der Freistaat Thüringen gewährt nach Maßgabe dieser Richtlinie, der §§ 23 und 44 Thüringer Landeshaushaltsordnung (ThürLHO) und den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften (VV) Zuwendungen für die Förderung nichtinvestiver sozialer Maßnahmen von überregionalen Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen.
1.2 Zweck der Zuwendung ist es, die Arbeit der überregionalen Beratungsstellen für Menschen mit (drohenden) Behinderungen zu unterstützen und sicherzustellen. Als überregional gelten Beratungsstellen, deren Beratungsangebot über die Grenzen der Gebietskörperschaft, in der die Beratungsstelle ihren Sitz hat, hinausgeht. Aufgaben der Beratungsstellen sind insbesondere:
a) Unterstützung und Beratung von Betroffenen und Familienmitgliedern bei der Klärung und Bewältigung behinderungsbedingter psychosozialer Probleme mit individuellen und familienbezogenen Folgen,
b) Menschen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall eine Behinderung erleiden, über Dienste und Einrichtungen, die bei der Bewältigung der neuen Situation helfen, zu informieren,
c) Hilfen zur Zurückgewinnung oder Erhaltung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit (unter anderem durch psychosoziale Beratung, Organisation von Lehrgängen zur Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten und Mobilität),
d) Information über alle Maßnahmen der schulischen Bildung und über Maßnahmen der beruflichen und sozialen Rehabilitation, soweit nicht andere Stellen, wie zum Beispiel Arbeitsverwaltung, Integrationsamt/Hauptfürsorgestelle, zuständig sind,
e) Beratung von Eltern und Kind über die besondere Förderung bei Einschulung, Schullaufbahn und Berufswahl, soweit diese nicht durch die staatlichen Schulämter durchgeführt wird,
f) Hilfe und Unterstützung bei der Antragstellung (allgemeine öffentliche Leistungen/Ansprüche, Sozialleistungen etc.),
g) Beratung bei der Auswahl von notwendigen behindertenspezifischen Hilfsmitteln,
h) Beratung von öffentlichen Verwaltungen und anderen Institutionen sowie Unternehmen,
i) Information über Integrationsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und eine inklusive Lebensführung.
1.3 Ziel des Förderprogramms ist es, eine flächendeckende Beratung und Unterstützung von Menschen mit (drohenden) Behinderungen und deren Familienmitgliedern zu Angeboten, aktuellen Leistungen und Hilfen sicherzustellen, damit die Betroffenen ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
1.4 Die Fördermaßnahmen im Rahmen der Förderung der Beratungsstellen werden durch den Zuwendungsgeber einer Zielerreichungskontrolle (Controlling) gemäß den Verwaltungsvorschriften zu § 23 ThürLHO unterzogen. Zur Umsetzung der VV zu § 23 ThürLHO soll nachfolgendes Ziel im Zusammenhang mit der Förderung der Beratungsstellen erreicht werden:
Schaffung und Aufrechterhaltung überregionaler Beratungsstellen für Menschen mit (drohenden) Behinderungen, um die Aufgaben nach Nr. 1.2 a) bis i) sicherzustellen. Zur Beurteilung der Erreichung des Ziels sind dabei insbesondere folgende Zielindikatoren zu erfassen:
- Anzahl der überregionalen Beratungsstellen,
- Anzahl der jährlich beratenen Personen,
- Anzahl und Art der durchgeführten Beratungen,
- Anzahl der Beratungen von öffentlichen Verwaltungen und anderen Institutionen sowie Unternehmen,
- Anzahl der Informationen über Integrationsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und inklusiver Lebensführung,
- durchschnittliche Dauer einer Beratung (aufzuschlüsseln nach den jeweiligen angebotenen Beratungsformen)
Sofern als Indikator eine Anzahl genannt wird, ist der Vergleichsmaßstab jeweils das dem Bewilligungszeitraum vorhergehende Haushaltsjahr.
1.5 Ein Rechtsanspruch auf Förderung besteht nicht. Über die Landesförderung wird nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel entschieden.
2 Gegenstand der Förderung
Gefördert werden notwendige Sach- und Personalausgaben der Beratungsstellen für Menschen mit (drohenden) Behinderungen.
3 Zuwendungsempfänger
Zuwendungsempfänger sind freigemeinnützige Träger von überregionalen Beratungsstellen, deren Aufgabe darin besteht, Menschen mit (drohenden) Behinderungen zu betreuen und zu fördern.
4 Zuwendungsvoraussetzungen
Eine Zuwendung kann unter folgenden Voraussetzungen gewährt werden:
- Bei der Beteiligung anderer Zuwendungsgeber an der Gesamtfinanzierung der Maßnahme kann eine Zuwendung erst nach Vorlage des entsprechenden Bewilligungsbescheides beziehungsweise eines anderen geeigneten Nachweises erfolgen.
- Eine Zuwendung kann grundsätzlich nicht erfolgen, wenn gegen den Antragssteller ein Vergleichs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren beantragt ist.
- Die Beratungsstellen müssen sich in ihrer Konzeption zu einer überregionalen oder landesweiten Arbeitsweise verpflichtet haben.
5 Art und Umfang, Höhe der Zuwendungen
5.1 Zuwendungsart und -form, Finanzierungsart
Die Zuwendung wird als Projektförderung in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses gewährt. Finanzierungsart ist die Anteilsfinanzierung.
5.2 Zuwendungsfähige Ausgaben, Höhe der Zuwendung
Die Höhe des Festbetrags der Landeszuwendung bemisst sich in Höhe von 80 v.H. der zuwendungsfähigen Personal- und Sachausgaben.
Sachausgaben sind:
- anteilige ortsübliche Mieten und Strom sowie Betriebskosten,
- Verbrauchsmaterial und geringwertige Wirtschaftsgüter bis zur Inventarisierungsgrenze nach Nr. 4.2 der ANBest-P,
- Erst- und Ersatzbeschaffung von Bürokommunikationsgeräten,
- Fachliteratur,
- sonstige Ausgaben (laufende Mieten/Leasing und Wartung für Bürokommunikationsgeräte, Kommunikationsausgaben, Inventarversicherungen),
- Buchführung und/oder Jahresabschluss und/oder Lohnberechnung (keine Personalausgaben- bzw. Verwaltungsfachkraftförderung),
- Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Zuwendungszweck,
- Informationsmaterial zur detaillierten Fachinformation Betroffener und Angehöriger,
- Reisekosten mit öffentlichen Beförderungsmitteln nach dem Thüringer Reisekostengesetz und den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften,
- KFZ-Haftpflichtversicherung ohne Kaskoversicherung, KFZ-Steuer, Kraftstoffe und Instandsetzung für Kraftfahrzeuge, deren Halter der Träger der Beratungsstelle ist und die für die Tätigkeit einer mobilen Beratungsstelle notwendig sind.
5.3 Personalausgaben Zuwendungsfähig sind die notwendigen Personalausgaben der Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen inklusive der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der anteiligen Beiträge zur Berufsgenossenschaft für Beratungsfachkräfte bei einer Eingruppierung bis zur Entgeltgruppe E-9b des jeweils gültigen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).
5.4 Beratungsfachkräfte im Sinne dieser Richtlinie sind:
a) Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder Studium im Bereich Rechtswissenschaften, Sozialwesen, Psychologie, Pädagogik oder vergleichbarem Abschluss,
b) Personen, die nicht über einen unter a) genannten Abschluss verfügen, jedoch über eine nachweisbare, langjährige Berufserfahrung in den unter a) genannten Berufsfeldern verfügen,
oder
c) Selbstbetroffene, die zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits als Berater tätig waren und über eine abgeschlossene Weiterbildung im Bereich Peer Counseling verfügen oder diese spätestens nach einem Jahr nach Förderbeginn abschließen.
Das für Soziales zuständige Ministerium kann im Einzelfall Abweichungen von dieser Richtlinie zulassen, wenn die sachlichen Gegebenheiten dies erfordern.
6 Sonstige Zuwendungsbestimmungen
Werden vom Zuwendungsempfänger Sachausgaben für Kraftfahrzeuge beantragt, ist dieser verpflichtet, die Nutzung des Kraftfahrzeuges in einem Fahrtenbuch zu dokumentieren.
Bei den Beratungsstellen ist ein Journal über die im Zuwendungszeitraum erfolgten Beratungsgespräche zu führen. In diesem Nachweis sind Namen und Anschriften des Ratsuchenden und Zeitdauer der Beratungsgespräche und das Ergebnis festzuhalten. Es muss sichergestellt sein, dass die anonymisierten Daten bei einer eventuellen stichprobenartigen Prüfung über das Journal zurückverfolgt werden können. Im Übrigen ist sicherzustellen, dass die Vorschriften des Datenschutzes eingehalten werden.
Die Zuwendungsempfänger haben der Bewilligungsbehörde mit dem Verwendungsnachweis auch die für das Controlling benötigten statistischen Daten zu den Zielindikatoren nach Ziffer 1.4 vorzulegen.
7 Verfahren
7.1 Antragsverfahren
7.1.1 Der Antrag auf Förderung ist bis zum 31. Oktober des Vorjahres des Förderbeginns schriftlich und rechtsverbindlich unterschrieben in einfacher Ausfertigung beim Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA), Fachgebiet Antrag Soziales, Familie, Jugend und Sport, Weimarische Straße 45/46 in Erfurt einzureichen.
7.1.2 Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
a) inhaltliche Konzeption (einschließlich Festlegung des Einzugsbereichs),
b) Finanzierungsplan (aufgegliederte Berechnung der mit dem Zuwendungszweck zusammenhängenden Ausgaben mit einer Übersicht über die beabsichtigte Finanzierung),
c) Angaben zur Anzahl, Qualifikation und Eingruppierung der Mitarbeiter.
In dem Finanzierungsplan sind Leistungen, die von anderen Sozialleistungsträgern zu erbringen sind oder von anderen Zuwendungsgebern erbracht werden, gesondert auszuweisen. Der Zuwendungsempfänger hat bei der Antragstellung die Ausschöpfung anderer Finanzierungsmöglichkeiten nachzuweisen.
7.2 Bewilligungsbehörde und -verfahren
Bewilligungsbehörde ist das TLVwA. Die Bewilligung erfolgt durch Zuwendungsbescheid.
7.3 Anforderungs- und Auszahlungsverfahren
Die Zuwendungen werden durch schriftlichen Abruf bei der Bewilligungsbehörde im Rahmen der Durchführung der Maßnahme ausgezahlt.
7.4 Vorzeitiger Maßnahmebeginn
Im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium wird gemäß der VV Nr. 1.3 Satz 2 zu § 44 Abs. 1 ThürLHO in den vorzeitigen Beginn bei allen Maßnahmen im Sinne der Nr. 2 dieser Richtlinie eingewilligt, für die bis zum 31. Oktober des dem Bewilligungszeitraum vorhergehenden Jahres ein Förderantrag bei der zuständigen Behörde gestellt wurde. Mit dieser Einwilligung ist kein Rechtsanspruch auf eine Landesförderung verbunden; vielmehr handelt es sich hierbei ausschließlich um eine verfahrensbedingte Maßnahme, die zur Herstellung der Fördervoraussetzungen dem Grunde nach beiträgt, die aber keine der für eine Landesförderung noch zu erfüllenden Voraussetzungen ersetzen kann.
7.5 Verwendungsnachweisverfahren
Der Verwendungsnachweis ist nach Nr. 6.1 bis 6.4 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) zu führen. Im Verwendungsnachweis sind Angaben über Beschäftigungsdauer, Beschäftigungsumfang, Qualifikation und Entgeltgruppe der Fachkräfte erforderlich.
7.5.1 Die Prüfung des Verwendungsnachweises obliegt dem TLVwA.
Der Verwendungsnachweis ist dem TLVwA zusätzlich als elektronische Datei zu übermitteln.
7.6 Prüfungsrechte
Die Bewilligungsbehörde ist berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern und zu prüfen sowie die ordnungsgemäße Verwendung der Zuwendung durch örtliche Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen (§ 44 Abs.1 Satz 3 ThürLHO).
Die Prüfungsrechte des Thüringer Rechnungshofs (§ 91 ThürLHO) bleiben hiervon unberührt.
7.7 Zu beachtende Vorschriften Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten §§ 48, 49 und 49 a Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz und die VV zu § 44 ThürLHO, soweit nicht in dieser Richtlinie Abweichungen zugelassen worden sind.
8 Inkrafttreten, Befristung
Die Richtlinie tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft.